Gemeinsame Erklärung von kommunalen Spitzenverbänden, Verkehrsverbünden und Aufgabenträgern
Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ist ein Schlüssel für ein zukunftsfähiges Niedersachsen. Er entscheidet über das Gelingen der Mobilitätswende, gehört zum Kernbereich der Daseinsvorsorge, ist unabdingbar für gleichwertige Lebensverhältnisse von Stadt und Land und trägt wesentlich zum Klimaschutz bei. Trotzdem hat sich die Finanzausstattung rasant verschlechtert. Es hakt beim Ausbau, bestehende Angebote bei Bus und Bahn sind gefährdet. Vor diesem Hintergrund richten die kommunalen Spitzenverbände, ÖPNV-Aufgabenträger sowie Verkehrsverbünde den „5-Punkte-Appell für einen zukunftsfähigen ÖPNV in Niedersachsen“ an das Land. Er bündelt die wesentlichen Forderungen für notwendige Rahmenbedingungen, um gemeinsam den ÖPNV weiterzuentwickeln.
In der Erklärung fordern die neun unterzeichnenden Organisationen eine verlässliche Finanzierung der bestehenden Verkehre und des Deutschland-Tickets. Angesichts der faktischen Verschlechterung der Finanzausstattung im ÖPNV drohe sonst in vielen Teilen Niedersachsens die Reduzierung des Angebots. Vor diesem Hintergrund fordern die Unterzeichner, dass das Land Niedersachsen mehr Geld aus dem eigenen Landeshaushalt für den Nahverkehr bereitstellt. Bislang sind es in Niedersachsen nur 15 Euro pro Einwohnerin und Einwohner, weniger als in jedem anderen Bundesland (NDR-Erhebung von 2022). Bis 2028 soll das Land diese Summe nach Vorstellung der Unterzeichner auf 50 Euro pro Kopf erhöhen.
Prof. Dr. Hubert Meyer, Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Landkreistages: „Am Bewusstsein und Willen mangelt es nicht. Alle Akteure – Bund, Land, Kommunen und Verkehrsverbünde – kennen die Bedeutung und sehen die Notwendigkeit eines gut ausgebauten, attraktiven ÖPNV, gerade in einem Flächenland wie Niedersachsen.
Der 5-Punkte-Appell ist ein notwendiger Impuls, vom Wollen ins Machen zu kommen.“ Dr. Jan Arning, Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Städtetages: „Ohne klares finanzielles Bekenntnis des Landes droht der Rückbau statt der dringend nötigen Mobilitätswende. Die Mitglieder des NST sehen sich vielerorts mit Angebotskürzungen im ÖPNV konfrontiert. Nicht aus Mangel an Bedarf, sondern aus Mangel an Mitteln.
Schon jetzt müssen aus den völlig überforderten Kommunalhaushalten hohe Eigenbeiträge in die Aufrechterhaltung des Nahverkehrs investiert werden.“ Dr. Marco Trips, Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes: „Insbesondere in den ländlichen Räumen fehlt es an überzeugenden Angeboten, die die Menschen zu einer Abkehr vom motorisierten Individualverkehr bewegen könnten. Das Deutschland-Ticket allein hilft hier nicht. Vielmehr braucht es ein klares finanzielles Bekenntnis des Landes zu einer Stärkung der Takte und Verbindungen.“ Karsten Leist, Geschäftsführer Verkehrsgesellschaft Nord-Ost-Niedersachsen: „Der 5-Punkte-Appell ist ein dringendes Signal an das Land, jetzt die finanziellen und strukturellen Weichen für eine zukunftsfähige Mobilität zu stellen. Wir stehen mit Tatendrang bereit, diese zu unterstützen.“
Ulf-Birger Franz, Verkehrsdezernent der Region Hannover: „Wir brauchen eine gemeinsame Anstrengung aller in Niedersachsen für einen attraktiven ÖPNV und ein klares finanzielles Bekenntnis des Landes. Niedersachsen sollte jährlich mindesten 50 Euro pro Einwohnerin und Einwohner aus dem Landeshaushalt in den ÖPNV investieren.“
Christof Herr, Geschäftsführer des Zweckverbands Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen: „Ohne zusätzliche Finanzmittel für die kommunale Ebene ist vieles, was vor Ort in den letzten Jahren im ÖPNV verbessert wurde, gefährdet und ein weiterer Ausbau des Nahverkehrs als zentraler Beitrag zur Verkehrswende ist nicht zu schaffen.“
Raimund Brodehl, Geschäftsführer des Hamburger Verkehrsverbundes: „Wir stehen zu unserer gemeinsamen Verantwortung, den Bürgerinnen und Bürgern in Stadt und Region ein modernes, verlässliches und resilientes System im öffentlichen Verkehr anzubieten. Dazu gehören neben Angebots- und Qualitätsstandards natürlich auch verlässliche Finanzierungsperspektiven.“
Ralf Sygusch, Verbandsdirektor des Regionalverbands Großraum Braunschweig: „Wir haben in der Region Großraum Braunschweig über die letzten Jahre ein gutes Netz aus regionalem Bahnverkehr, Regio Bussen und lokalen Busverbindungen geschaffen. Aufgrund der massiv gestiegenen Betriebskosten stehen wir allerdings jetzt vor Kürzungen – wenn das Land Niedersachsen nicht mehr Geld für den ÖPNV-Betrieb zur Verfügung stellt. Eine Mobilitätswende kann es nur mit dem Engagement aller Ebenen geben, das Land muss mehr Mittel einbringen.“
Stephan Börger, Verbandsgeschäftsführer Zweckverband Verkehrsverbund Süd-Niedersachsen: „Wir haben gezeigt, dass bessere Nahverkehrsangebote wirken – Menschen steigen um, wenn die Qualität stimmt. Nur mit einem klaren Bekenntnis zur auskömmlichen Finanzierung können wir die Erfolge der vergangenen Jahre sichern und die Mobilitätswende fortsetzen – wir sind bereit.“
Ansprechpartner:
NLT: Ulrich Lottmann, Tel.: 0511 879 53 18, mobil: 0172 634 24 66, E-Mail: medien@nlt.de
5-Punkte-Appell für einen zukunftsfähigen ÖPNV in Niedersachsen
1. Die Finanzierung des ÖPNV in Niedersachsen muss den Herausforderungen wieder gerecht werden.
Dem ÖPNV kommt eine Schlüsselrolle bei der Mobilitätswende und dem Umstieg auf ein klimafreundlicheres Mobilitätsverhalten zu. Gerade für das Flächenland Niedersachsen wird es entscheidend darauf ankommen, mehr hochwertige ÖPNV-Angebote in Stadt und Land flächendeckend und einfach zugänglich anzubieten. Mit großer Sorge sehen die ÖPNV-Aufgabenträger, die niedersächsischen Landkreise, Städte und Gemeinden, Verkehrsverbünde und Unternehmen, dass die tatsächliche Finanzausstattung sich de facto rasant verschlechtert und die bestehenden Angebote bei Bus und Bahn gefährdet. Es drohen für die Zukunft (weitere) Angebotsreduzierungen statt Verbesserungen. Das ist kein Weg für die Zukunft!
2. Das Land muss sich auch gesetzlich dauerhaft zum Deutschland-Ticket bekennen.
Das Deutschland-Ticket ist ein großer Erfolg, weil es neue Nutzergruppen an den ÖPNV herangeführt hat und die Nutzung des ÖPNV unkompliziert tarifübergreifend auch für längere Strecken ermöglicht. Wir fordern daher eine dauerhafte Fortsetzung des Deutschlandtickets mit einer gesetzlichen Tarifanordnung und vollständigem und langfristig abgesichertem Ausgleich aller Fahrgeldmindereinnahmen sowie eine deutliche Reduzierung des Abrechnungsaufwandes und hierfür stabile Strukturen. Nur wenn das Deutschlandticket langfristig gesichert ist, können Nutzer und Anbieter damit verlässlich planen und ÖPNV-Strukturen optimieren.
3. Niedersachsen braucht ein Zukunfts-Gesamt-ÖPNV-Konzept.
30 Jahre nach der Regionalisierung bedarf es einer umfassenden Landesstrategie für den ÖPNV, die nicht das Wünschbare, sondern das bis 2030 Machbare gemeinsam vereinbart. Die ÖPNV-Aufgabenträger, Verkehrsverbünde und Unternehmen sind bereit, ihre Anstrengungen für klimafreundliche, verkehrsformenübergreifende Mobilität in ein Gesamtkonzept einzubringen, um maximale Wirkungen zu erreichen. Hierzu gehört ein gut verknüpftes Landesbusliniennetz in finanzieller Gesamtverantwortung des Landes, ein abgestimmtes Schiene-Bus-Netz, kundenfreundliche Umsteigeanlagen und sonstige Mobilitätsformen wie On-Demand-Angebote.
4. Das Land Niedersachsen muss sofort mehr in den ÖPNV investieren und bis 2028 auf den Betrag von mindestens 50 Euro pro Kopf kommen.
Niedersachsen ist unter allen Ländern Schlusslicht bei der ÖPNV-Finanzierung. Das Land gibt derzeit 15 Euro pro Einwohner und Jahr für den ÖPNV aus, in den Flächenländern Hessen sind es 66 Euro, in Baden-Württemberg 55 Euro, in Sachsen-Anhalt 27, in NRW 26 Euro (alle Zahlen 2022). Wir fordern daher einen umgehend beginnenden Aufwuchs der Pro-Kopf-Finanzierung des Landes auf mindestens 50 Euro pro Kopf und Jahr bis 2028, um den Bestand des ÖPNV überhaupt zu sichern. Dazu müssen insbesondere die §§ 7a und 7b-Mittel des NNVG umgehend um mindestens 80 Mio.€ erhöht werden. Eine Beteiligung der ÖPNV-Aufgabenträger an den seit 2020 den Ländern zufließenden zusätzlichen Finanzmitteln in § 5 Abs.11 RegG für den Klimaschutz ist bisher in Niedersachsen nicht erfolgt. Für die Klima-Herausforderungen beispielsweise bei der Antriebswende Bus sind signifikante zusätzliche Mittel für alternativ angetriebene Busse und notwendige Betriebshöfe erforderlich.
5. Alle ÖPNV-Zahlungen müssen dynamisiert, vereinfacht und pauschaliert werden.
Mit einer Ausnahme sind alle bisherigen im NNVG verankerten Zuweisungen an die kommunalen Aufgabenträger nicht dynamisiert, obwohl die vom Bund den Ländern zur Verfügung gestellten Regionalisierungsmittel seit Jahren steigen. Die Strom-, Diesel- und Personalkosten sind in den letzten Jahren rasant gestiegen. Wir fordern daher eine faire, gesetzlich an einem Index gekoppelte Dynamisierung aller Zahlungen des Landes an die ÖPNV-Aufgabenträger und Unternehmen, insbesondere der Mittel der §§ 7 ff. NNVG. Zugleich muss das Land den Kommunen mehr vertrauen, Nachweispflichten streichen und die verschiedenen Zuwendungsströme des NNVG zusammenfassen und vereinfachen.